Allgemeines
Titel: Future: Die Zukunft gehört dir
Verlag: Heyne
Autor*in: Dan Frey
Meine Genre-Einordnung: Science-Fiction, Roman
Seitenzahl: 432 Seiten
Perspektive: Geschichte wird erzählt durch Chatverläufe, Protokolle und ähnliches – eine Sammlung von Dokumenten
ISBN: 978-3-453-32131-1
Preis: 15,00 €
Allgemeine Meinung
Herzensbuch
Danke an das Bloggerportal und den Heyne Verlag für dieses Rezensionsexemplar!
Rezension
Klappentext:
Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen könnten, würden Sie es tun? Für Ben Boyce und Adhi Chaudry lautet die Antwort auf diese Frage eindeutig Ja. Sie gründen ein Start-up, um ihren Quantencomputer zu vermarkten, der auf das Internet, wie es in einem Jahr sein wird, zugreifen kann. Das ist super, wenn man wissen will, wen man daten wird, und lukrativ, wenn man sein Geld in Aktien anlegen will. Schnell finden sie Kunden, die große Summen in diese digitale Kristallkugel investieren. Ben und Adhi glauben sich auf dem Gipfel des Erfolges, doch dann bemerken sie, dass die Zukunft nicht ganz so rosig ist, wie es scheint. Etwas wird passieren, das das Internet – und möglicherweise die Menschheit selbst – vernichtet. Und nur Ben und Adhi sind in der Lage, die Katastrophe zu verhindern…
***
Hilfe, wo fange ich hier bloß an. Vielleicht arbeiten wir uns vom Groben ins Detail. Ich kann überhaupt nicht abschätzen, wie lang diese Rezension werden wird.
Das erste, was auffällt, wenn man mit dem Buch beginnt ist, dass es sich um eine Art Dokumentensammlung handelt, durch die die Geschichte erzählt wird. Das hat mich am Anfang etwas irritiert, ist aber ein wirklich cooles Konzept. Wir bekommen die Geschichte durch Zeitungsausschnitte, Chatverläufe, Protokolle und ähnliches vor Augen geführt. Gleichzeitig weicht der Autor nie von seinen beiden Protagonisten Adhi und Ben ab, die man beide sehr gut kennenlernt. Trotz des etwas personenfernen Erzählstils hat man das Gefühl, die Welt durch die Augen der beiden zu Anfang enthusiastischen Männer zu sehen.
Es mag sein, dass dieser Stil nicht für jeden etwas ist, doch ich persönlich finde, dass man sich durchaus darauf einlassen sollte. Zum einen ist es wirklich mal was anderes als eine heruntererzählte Geschichte, zum anderen macht genau dieser Stil die Geschichte so perfekt. Ehrlicherweise könnte ich mir gar nicht vorstellen, wie die Geschichte aussehen sollte, würde sie in einem „normalen“ Stil erzählt werden. Ich glaube man hätte das Bild der Zukunft nicht so eindeutig malen können, wie es der Autor hier geschafft hat.
Die beiden Charaktere haben ihre eigene Dynamik und Persönlichkeit, die sehr stark zu Tage tritt. Beide sind spannende Individuen, auch wenn ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich die beiden sympathisch finde. Wenn es sie gäbe, würde ich wahrscheinlich nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Allerdings porträtiert der Autor ein sehr gutes Bild von einem unternehmerischen Enthusiasten, der Kohle machen will und einem Science-Fiction Nerd, der sich ab einer bestimmten Stelle fragt, was er da überhaupt tut. Spannend zu sehen jedenfalls, wie die beiden miteinander harmonieren oder eben auch nicht harmonieren. Die Dynamik ihrer Freundschaft wandelt sich mit dem Wachstum des Unternehmens, das sie gemeinsam gründen. Auch die Beziehung zu Bens Frau rückt mit dem Fortschreiten der Geschichte in den Fokus. Sie bringt noch einmal eine ganz andere Note in die Geschehnisse und einen neuen Blickwinkel auf die Art und Weise, wie Ben gewisse Dinge gerne regeln würde.
Doch worum genau geht es eigentlich bei dem namensgebenden Unternehmen „The Future“? Nun, im Prinzip ist es ganz einfach. Und dann auch wieder nicht so ganz. Adhi und Ben (wahrscheinlich hauptsächlich Adhi) entwickeln einen Computer, der in der Lage ist, mit seinem in der Zukunft stehenden Modell zu kommunizieren um Daten aus dem nächsten Jahr abzurufen. Wir bekommen Protokolle zur Entwicklung des Modells zu sehen, Fehlerberichte und die ersten Erfolge. Am Rande wird das Thema Quantenmechanik erwähnt, auf dem der Supercomputer aufbaut. Übrigens ein sehr interessantes Thema. Neulich habe ich einen kurzen Vortrag zu Quantencomputing gehört. Ich habe zwar kaum etwas verstanden, aber das hat mich bewegt, mich mehr mit dem Thema auseinandersetzen zu wollen – das nur am Rande.
So jedenfalls beginnen Adhi und Ben, Nachrichten und Artikel aus der Zukunft zu empfangen. Doch zu welchem Preis?
Und die alles entscheidende Frage, die in einem leicht philosophisch angehauchten Kontext gestellt wird: Wenn so etwas möglich ist, haben wir dann einen freien Willen? Oder steht die Zukunft festgeschrieben, sobald wir sie gesehen haben? Das Thema Zeitreisen und Zukunft ist ja ohnehin ein sehr spannendes. Mit vielen Theorien und ethischen Fragen. Ab hier fällt es mir auch schwer, die richtigen Worte zu finden, wenn ich versuche, meine Gedanken dazu zu beschreiben.
Lasst euch das mal durch den Kopf gehen: Ihr habt Zugang zu einem Computer, der euch Nachrichten aus der Zukunft zeigen kann. Ihr googelt euch selbst. Seht, dass ihr in zwei Monaten sterben werdet. In dem Buch scheint es, als würde das definitiv zur Realität werden, sobald man es gesehen hat. Hat man es nicht gesehen, weiß man ja nicht, dass man in zwei Monaten stirbt. Nun stellt euch vor, ihr habt einen emotional instabilen Zustand. Diese Nachricht wird euch vermutlich erst recht dazu treiben, dass in zwei Monaten etwas passiert.
Es gibt nun zwei Betrachtungen, aus meiner Sicht gesehen. Die erste wäre, dass ein sowieso schon depressiver Mensch die Hoffnung völlig aufgibt und sich dann entweder selbst (wissentlich oder versehentlich) umbringt. Oder dass man in einem Moment der Fahrlässigkeit bspw von einem Auto erwischt wird. Das würde suggerieren, dass unsere Zukunft festgeschrieben steht, zumindest so, wie der Roman das auslegt.
Die andere Betrachtung wäre, wenn wir nicht gegoogelt hätten. Werden wir dann trotzdem sterben, wissen es nur nicht? Und was bedeutet das dann für den freien Willen? Den würde es ja nicht geben. Im Buch gibt es eine Stelle, in der der Maschine die Fähigkeit zugesprochen wird, den freien Willen zu rauben. Ich sehe das anders: Die Maschine würde nur einen Blick auf die Zukunft werfen, zeigen, was passiert, aber sie greift nicht aktiv ein, um das Kommende auszulösen. Sie zeigt es einfach nur. War das verständlich? Ich hoffe es.
Im Prinzip meine ich nur, dass es in beiden Fällen keinen freien Willen geben würde, ob wir nun sehen was passiert oder nicht. Oder die Zukunft wird erst dann in Stein gemeißelt, wenn wir sehen, was passiert. Somit hätte jedoch auch nicht die Maschine den freien Willen geraubt sondern wir uns selbst, sie ist lediglich das Werkzeug.
Ich glaube, ich bin etwas abgedriftet. Allerdings sind meine Gedanken zu dem Thema sehr verworren und ich hoffe, ich konnte sie verständlich aufzwirbeln. Vielleicht mag der ein oder andere Leser dieser Rezension mir ja Recht geben.
Eine Anmerkung: Diese Betrachtungsweisen habe ich auf Grundlage des Romans und des Gelesenen gebildet. Zum Thema Zukunft und Zeitreisen gibt es so viele Diskussionsgrundlagen, jede für sich sehr interessant. Möchte sagen, dass dies nur meine Gedanken zu den im Roman angeschnittenen Themen sind.
Gerade das finde ich jedoch so faszinierend. Jeder, der das Buch gelesen hat oder lesen wird, wird sich eine Meinung bilden und dann kann man darüber diskutieren. Genau das macht für mich einen guten Roman aus. Vor allem für Science-Fiction Romane habe ich deshalb ein besonderes Faible entwickelt, weil es so viele Möglichkeiten gibt, die Zukunft zu porträtieren und einige davon sind erschreckend realistisch.
Um nun zurück zum Buch zu kommen:
Spannend fand ich, dass vor allem Ben kaum eine Lernkurve zu haben scheint. Seine Charakterentwicklung ist gleichzeitig stagnierend und voranschreitend, was sich im ersten Moment etwas verwirrend anhört. Doch im Gegensatz zu Adhi hatte ich bei Ben nie das Gefühl, dass er das ganze Ausmaß dessen versteht, was sie da geschaffen haben. Stattdessen geht es ihm darum, das Produkt unbedingt auf den Markt zu bringen und auch, wenn er immer wieder behauptet, das für die Welt zu tun, hatte ich doch eher meistens den Eindruck, dass er Geld gerochen hat. Und zwar eine Menge. Auch das ist meiner Meinung nach eine Form von Charakterentwicklung. Denn wer sagt denn, dass man sich immer positiv nach vorne entwickeln muss? Adhi dagegen scheint trotz einer psychischen Erkrankung eher auf dem Boden geblieben zu sein, was sich vor allem gegen Ende des Romans zeigt. Er macht eine schöne Charakterentwicklung durch, jedoch möchte ich nicht zu viel verraten.
Denn vor allem das Ende ist das, was mich an dem Roman so begeistert hat. Um euch den Spaß nicht zu nehmen, werde ich darauf nicht weiter eingehen, doch ich saß wirklich mit offenem Mund da. Der Twist war gewaltig, aber gleichzeitig auch so gut und besonders. Kaum ein Buch hat mich am Ende sprachlos zurückgelassen, hier hat Dan Frey es jedoch geschafft. Ich habe eine Schwäche für gute Enden. Gut im Sinne von spannend und anders. Ob sie nun für die Charaktere gut oder schlecht sind interessiert mich da tatsächlich weniger. Dieses Ende jedoch… hat mich sprachlos und mit der Frage im Kopf zurückgelassen, was nun danach passiert. Doch wahrscheinlich ist es gerade deswegen perfekt.
Ich glaube, das Thema Zukunft und Zeitreisen zu thematisieren gelingt nur, wenn man bestimmte Bedingungen festlegt, nach denen gewisse Sachen laufen. Andernfalls gerät man mit den Gedankengängen in einen Strudel, der unweigerlich zu einem schwarzen Loch wird. Ob die Bedingungen nun real sein könnten oder nicht ist in erster Linie für den Roman egal. Und ich finde, Dan Frey hat das hervorragend hinbekommen.
Wenn ihr nach einem Roman sucht, der ein zu 100% unerwartetes Ende hat und euch mit offenem Mund stehen lässt, lest dieses Buch. Wenn ihr gerne mal einen neuen Erzählstil sehen wollt, lest dieses Buch. Wenn ihr gute Charaktere haben wollt, lest dieses Buch. Egal wieso, lest dieses Buch. Vor allem Science Fiction Fans werden das nicht bereuen.